8
Jun
2012

Der H. ist angekommen

Kaum viereinhalb Monate lebt er jetzt in Österreich, und schon hat der H. verstanden, wie dieses Land funktioniert:

Im ZDF-heute-Journal wird gemeldet, die EU wolle jetzt wirklich einen gemeinsamen Wirtschaftsminister für ein starkes Kerneuropa einsetzen. Darauf der H. so:

»Das werden die österreichischen Landeshauptleute zu verhindern wissen.«

4
Jun
2012

Alter ist relativ

Tim Burton, »Dark Shadows«
Wenn ein Vampir in den 1960er-Jahren wiederaufersteht, könnte das sehr witzig werden. Leider hat man aus dem Thema nur drei Witze gequetscht - etwas dünn für einen ganzen Film. Der Rest ist Computertechnik. Ohne Johnny Depp und Helena Bonham Carter könnte Tim Burton wahrscheinlich längst einpacken, die retten seinen Film, hier gemeinsam mit der großartig gealterten Michelle Pfeiffer, mal wieder vor der völligen Belanglosigkeit. Nur auf Großleinwand zu ertragen.

Wes Anderson, »Moonrise Kingdom«
Auch 1960er-Jahre, auch mit Stolz und Freude ihr Alter zeigende Superstars (Bill Murray, Bruce Willis, Frances McDormand, Tilda Swinton und, besonders klapprig, Harvey Keitel), aber ein so viel besserer Film! Das zwölfjährige Pärchen so ernsthaft, wie man nur in diesem Alter ist, wenn man gerade noch zwischen Kindheit und Erwachsensein feststeckt. Die märchenhaften Bilder, die bewusst als solche erkennbaren Trickaufnahmen, die geordnete, durcheinandergebrachte, am Ende wieder neu ins Lot gekommene Welt. Die Natur. Hach.

2
Jun
2012

Die Seele geht ihren Weg

Zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin meines Kindes arbeitet das Unbewusste fleißig vor sich hin. Mir träumte mittlerweile, ...

> ... ich würde von einem Straßenfertiger überfahren. Ich hatte keine Angst, es tat nicht weh, ich verletzte mich nicht und stand danach wieder auf. Das Bild der Straßenbaumaschine stammt aus Ellas Beschreibung ihrer Geburt auf sowiealsob.blogspot.com, die von einer »Planierraupe« geschrieben hatte.

> ... ich würde beim Entschärfen einer Bombe zerrissen. Auch in dieser Szene empfand ich keine Furcht, keine Schmerzen und kam nicht zu Tode, sondern lebte einfach weiter. Die Vorstellung des »Zerrissenwerdens« stammt aus dem Buch »Die selbstbestimmte Geburt«, das mir meine Hebamme empfohlen hat. Darin schildert eine Geburtshelferin, dass sie eine Frau in den Wehen beruhigen konnte, indem sie sagte: »Ich habe noch nie erlebt, dass eine Frau bei der Geburt explodiert wäre.«

> ... ich müsste ein gigantisch großes Linienflugzeug im Fahrmodus auf eine Autobahn bringen, über die Auffahrt in den fließenden Verkehr einfädeln und dann aus dem Verkehrsstrom heraus in die Luft bringen. Hat, wenn ich mich richtig erinnere, geklappt.

> ... ich müsste eine künstliche Insel auf einem stürmischen Binnensee erreichen, um dort einen Job anzutreten. Schwerer Wellengang machte das Ganze eher anstrengend, aber ich kam noch rechtzeitig drauf, dass ich ohnehin keine neue Arbeit annehmen kann, weil ich ja ein Kind erwarte.

> ... ich müsste im Tiefschnee einen steilen Berg hinunterfahren. Ich kann nicht skifahren, aber es musste sein. Auch hier: Anstrengung, Konzentration, nichts, das man jeden Tag machen würde wollen. Aber keine Angst.

> ... ich müsste in großer Hitze weitwandern, komischerweise hinter berühmten Bloggern, die mich auch gleich abhängten, weil ich hochschwanger bin und kaum mehr Tempo machen kann. Ich versuchte, H. zu erreichen, und wachte auf, als ich mein steinaltes Handy in der Hand hatte.

30
Mai
2012

Bücherliste 2012 // IX

Gustave Flaubert (Maria Dessauer), »Lehrjahre des Gefühls. Geschichte eines jungen Mannes«, Insel Verlag
Wasndas? Mon dieu, was für ein seltsamer Schreibstil. Abgehackt und sprunghaft erzählt er von Gefühlen und Wünschen, die mir völlig fremd sind. Dazu kommen unmotivierte Zeitenwechsel (Präsens bei Landschaftsbeschreibungen) und immer wieder wechselnde Gewichtungen: Man weiß nicht so genau, ist es eine Geschichte des Erwachsenwerdens oder sollen doch die politischen Umwälzungen Mitte des 19. Jahrhunderts im Zentrum stehen? Wie beides zusammenspielt wird jedenfalls nicht klar. Die vielen Fußnoten, die die extrem zeitgebundenen Anspielungen erklären, langweilen auch eher, als sie dem Roman gut tun. Wenn man aber dran bleibt, entwickelt das trotzdem einen gewissen Sog. Schließlich will man einfach nur wissen, welche Frau er denn jetzt wirklich nimmt.

Alles in allem eine versunkene Welt, die nur aus falschen Gefühlen besteht. Das wird besonders klar in der kurzen Passage, die Frédéric mit Rosanette auf dem Lande verbringt. Die beiden erleben ein ungestörtes Glück und eine zarte Liebe, die Frédéric aus Herzenskälte und Egoismus zerstört. Trotzdem wird er eher als Narr geschildert, dem am Ende der Freund bestätigt, er habe »zu viel Gefühl« gehabt, um in der Liebe glücklich zu werden. Da bleibe ich lieber bei meinen Engländerinnen.

Wie kam ich dazu?
Wühlkiste. Klassiker. Sollte man gelesen haben. Ist jetzt erledigt.

22
Mai
2012

Eiserner Vorhang 2012 // IV

»Harry Rowohlt liest und erzählt«, Wiener Konzerthaus
Mein Geburtstagsgeschenk an meine Mutter. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, was an einem Abend mit einem Übersetzer so toll sein könnte, und war richtig überrascht und erfreut.

Weil wir drei Karten am Rand der Sitzreihe hatten, der H. aber kurzfristig nicht mitkommen konnte und sein Platz daher frei blieb, bemerkte ich kurz vor Beginn plötzlich, dass sich jemand anderer neben mich setzte. Ich wandte den Blick: Oha, der Herr Künstler persönlich!

»Sollen wir anfangen?«, fragte er leise.
Ich hatte mich, wie ich deutlich spürte, tiefrot verfärbt. »Noch nicht. Ein bisschen noch«, murmelte ich. »In Wien immer cum tempore
Pause.
»Der Marecek ist auch da«, bemerkte er, und richtig, ein paar Plätze weiter saß der Schauspieler Heinz Marecek in einem lustig gemusterten Sakko. Und sah herüber und winkte wie ein Schulmädchen. Sehr großartig!

Das Beste daran:
Zum ersten Mal einen Deutschen erlebt, der tatsächlich österreichischen Dialekt beherrscht.
Publikumsbesprechung: Fans, Freunde, fantastische Stimmung. Man war unter sich.

Georg Schramm, »Meister Yodas Ende», Stadtsaal Wien
Auch wenn er mir im Fernsehen manchmal ein bisschen zu sehr herumbrüllt und sein Publikum zu sehr im Einvernehmen mit ihm ist: Live sollte man ihn mal gesehen haben. Der kann echt was, gerade auch schauspielerisch. Interessant war, dass ich als Zielgruppe in seinem Programm gar nicht vorkam: Bei der direkten Ansprache empfahl er, »Enkel« um Information über Flashmobs etc. zu bitten.

Publikumsbesprechung: Haarsträubend wie lang nicht mehr. Die Frau neben mir stemmte ihre Füße gegen die Lehne des Vordersitzes und konnte keine Minute stillsitzen. Andere schmissen während der Vorstellung Gläser um, in der zweiten Hälfte wurde an den falschen Stellen zu viel und zu laut, weil zu besoffen gelacht. Peinlich ohne Ende.

Bücherliste 2012 // VIII

Jane Austen (Angelika Beck), »Emma«, Insel Verlag
Ach, die kleinen Engländerinnen! Zwar erkennt die Leserin schon ganz am Anfang kilometerweit gegen den Wind, dass die quirlige Emma am Ende ihren knurrigen Nachbarn Mr. Knightley abkriegen wird, aber der Weg dorthin ist halt einfach zu reizvoll. Es wird geredet, geredet, geredet, und Emma ist gerade in ihrer emanzipierten Eigensinnigkeit einfach ein hinreißendes Stück. Alle Charaktere sind liebevoll gesehen und mit gerade so viel Übertreibung gezeichnet, dass man Spaß daran hat, ohne es als Satire abtun zu können. Und gleichzeitig taucht man ein in eine Welt der Höflichkeit, Zurückhaltung und strengen Regeln, die von den Menschen unhinterfragt respektiert wird, unter der sie allerdings manchmal auch leiden (Die Langeweile! Die Ungewissheit!) und deren Grenzen sie immer wieder neu ausloten.

Ein paarmal nur bin ich über die Übersetzung gestolpert. Ein Beispiel: Ist das Wort »lecker« tatsächlich der Stilebene zuzurechnen, auf der im Original gesprochen wird? Dass »Referenz« steht, wo »Reverenz« gemeint ist, kann allerdings auch ein Satzfehler sein, so wie der unmotivierte Zeilenwechsel mitten in einem Absatz und andere typografische Pannen. Doch ich will nicht meckern, denn ...

Wie kam ich dazu?
... ich habe das Buch aus einer Wühlkiste gezogen und keine sechs Euro dafür ausgegeben. Fair enough.

16
Mai
2012

Raben sollten sich am Riemen reißen

Sie sind ja faszinierend, die Rabenvögel. Schlau, hinterlistig, sozial, hochbegabt, schick angezogen, kurz: die Intellektuellen unter den Flatterichen. Im Fernsehen reiht sich eine Doku an die andere, und immer wird darin gezeigt, wie eine Krähe ein Werkzeug benützt, um ein anderes Werkzeug zu bekommen, mit dem sie dann das gewünschte Leckerli irgendwo herausstochern kann.

Da frage ich mich und vor allem die Natur: What was this for? Erst werden Spezies herausevolutioniert, die offensichtlich mit dem gewöhnlichen Leben der Flugsaurier extrem unterfordert sind – aber unter dem Strich kriegen sie dann trotzdem nichts anderes auf die Reihe, als gemeinsam in Parkbäumen zu hocken und nervtötendes Gekrächze auszustoßen? Fortpflanzung und Lärmerzeugung schaffen doch sogar die erwiesenermaßen stockdummen Stadttauben.

Offen gestanden finde ich, dass sich die Rabenvögel jetzt mal am Riemen reißen könnten. Zumindest eine geheime Weltverschwörung wäre gefordert. Sonst muss man leider zu drakonischen Maßnahmen greifen und die Schwarzspatzen als ewige Studenten dissen.

15
Mai
2012

Schick!

Als ich mein Leiberl lupfe, sagt die Hebamme beim Hausbesuch, ich hätte einen »zarten Bauch«. Auch die Freundinnen staunen, weil ich bis auf die Kugel vorne nicht anders aussehe als früher. Schon wieder einer von den vielen Aspekten dieser Schwangerschaft, auf die ich stolz bin, obwohl ich nichts dafür kann.

11
Mai
2012

Grenzen des Weltalls

Der innere Mitbewohner zeigt bereits vorgeburtlich deutliche Charaktereigenschaften. So scheint er zum Beispiel eher kamerascheu zu sein. Zwar spaziert er regelmäßig mit seinen kleinen Füßen meine Bauchdecke entlang, was von außen auch gut sichtbar ist. Greife ich allerdings nach der Kamera, um ein kurzes Filmchen davon zu machen, ist sofort Schicht im Schacht. Auch aufmunterndes Schieben oder Stupsen löst weniger Aktivität als vollständiges Erstarren aus. Gern stelle ich mir dann vor, wie er verdutzt innehält, weil er sich nicht erklären kann, was hier vor sich geht und was ihn bei seinem geschäftigen Treiben unterbrochen haben mag. Er stutzt, er lauscht: Kann es sein, dass da irgendwo noch jemand ist?

Nö, war wohl ein Irrtum. Kann ja auch gar nicht sein - außer ihm gibt es ja nichts.
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