Bühne

22
Mai
2012

Eiserner Vorhang 2012 // IV

»Harry Rowohlt liest und erzählt«, Wiener Konzerthaus
Mein Geburtstagsgeschenk an meine Mutter. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, was an einem Abend mit einem Übersetzer so toll sein könnte, und war richtig überrascht und erfreut.

Weil wir drei Karten am Rand der Sitzreihe hatten, der H. aber kurzfristig nicht mitkommen konnte und sein Platz daher frei blieb, bemerkte ich kurz vor Beginn plötzlich, dass sich jemand anderer neben mich setzte. Ich wandte den Blick: Oha, der Herr Künstler persönlich!

»Sollen wir anfangen?«, fragte er leise.
Ich hatte mich, wie ich deutlich spürte, tiefrot verfärbt. »Noch nicht. Ein bisschen noch«, murmelte ich. »In Wien immer cum tempore
Pause.
»Der Marecek ist auch da«, bemerkte er, und richtig, ein paar Plätze weiter saß der Schauspieler Heinz Marecek in einem lustig gemusterten Sakko. Und sah herüber und winkte wie ein Schulmädchen. Sehr großartig!

Das Beste daran:
Zum ersten Mal einen Deutschen erlebt, der tatsächlich österreichischen Dialekt beherrscht.
Publikumsbesprechung: Fans, Freunde, fantastische Stimmung. Man war unter sich.

Georg Schramm, »Meister Yodas Ende», Stadtsaal Wien
Auch wenn er mir im Fernsehen manchmal ein bisschen zu sehr herumbrüllt und sein Publikum zu sehr im Einvernehmen mit ihm ist: Live sollte man ihn mal gesehen haben. Der kann echt was, gerade auch schauspielerisch. Interessant war, dass ich als Zielgruppe in seinem Programm gar nicht vorkam: Bei der direkten Ansprache empfahl er, »Enkel« um Information über Flashmobs etc. zu bitten.

Publikumsbesprechung: Haarsträubend wie lang nicht mehr. Die Frau neben mir stemmte ihre Füße gegen die Lehne des Vordersitzes und konnte keine Minute stillsitzen. Andere schmissen während der Vorstellung Gläser um, in der zweiten Hälfte wurde an den falschen Stellen zu viel und zu laut, weil zu besoffen gelacht. Peinlich ohne Ende.

12
Mrz
2012

Eiserner Vorhang 2012 // III

Tennessee Williams, »Endstation Sehnsucht«, Burgtheater Wien
Zuerst fragt man sich ja, warum ein solches Kammerspiel unbedingt im großen Haus und nicht etwa im Akademietheater gezeigt werden kann. Vermutlich wollte man seine Stars Dörte Lyssewski (Blanche) und Nicholas Ofczarek (Stanley) nicht brüskieren, oder man erwartete einen ganz enormen Publikumsandrang. Wir fanden Plätze im Mittelrang und hatten besonders in der ersten Hälfte des Abends damit zu kämpfen, dass das Geschehen sehr weit weg stattfand. Dazu kamen die längliche Einführung der Figuren im Stück, das anstrengend anzusehende Herumstaken auf ständig nackten Beinen von Blanche und ihrer Schwester Stella (Katharina Lorenz) und Ofczareks doch recht deutliche Vorliebe für sein Standbein (links). Kurz: In der Pause überlegte ich, ob ich gehen will. Andere taten es einfach.

Gut, dass ich geblieben bin. Der Mittelrang heizte sich zwar so weit auf, dass mir trotz kurzer Ärmel der Schweiß auf der Oberlippe stand und ich am Ende nach nur etwas Applaus meinen Kreislauf retten und flüchten musste. Bis dahin hatte es mich jedoch längst gepackt und die große Bühne ihre Wirkung gezeigt. Durch die Distanz und die sparsame Ausstattung wurden mir die klischeehafte Hitze und Enge des Stücks vorenthalten. Gerade deshalb fielen die Sätze umso schwerer ins Gewicht und mir ins Herz: Irgendwann hat man einfach nur mehr Angst, wenn Blanche den Mund aufmacht, weil sie jedesmal gleichzeitig so zerbrechlich, so egoistisch, so traurig und so empörend unhöflich ist, dass es einen schier zerreißt.

Lyssewksis Stimme hat beeindruckend viele Register, von der tief tönenden Bruststimme bis zum hysterischen Kopfgegickse. Ihr dünner Körper ist durchtrainiert bis zur (in meinen Augen) Sterilität. Vielleicht kippte das Stück auch deshalb für mich in das verschlüsselte Drama eines Cross-Dressers: Da ist Blanches Liebe zu einem jungen Mann, der sich als schwul herausstellt und sich das Leben nimmt. Sie verliert später ihren Job als Lehrerin, nachdem sie sich mit einem minderjährigen Schüler eingelassen hat. Da ist ihr Plädoyer für den schönen Schein, den Glanz, die glückliche Lüge anstelle der bitteren Realität. Flitter und Tand, Puder und leere Parfümflaschen, ihr Leben im Hotel, ihre Affären, mit denen sie ihren Ruf ruiniert – es wird alles im Stück mit dem Verlust des elterlichen Gutes erklärt, aber vor der Folie der Homophobie wirkt das nur aufgesetzt, so als hätte die wahre Geschichte nicht erzählt werden dürfen.

Als Blanches Verehrer Mitch (Dietmar König) ihr schließlich die nackte Glühbirne ins Gesicht hält, entdeckt er ihre Falten, ihr wahres Alter, und wendet sich entsetzt von ihr ab. Ich denke, es war ein Bartschatten, den er gesehen hat.

1
Mrz
2012

Eiserner Vorhang 2012 // II

Ray Cooney, »Außer Kontrolle«, Theatergruppe Vorchdorf
Eine etwas andere Theatererfahrung war der Auftritt meines Onkels als Staatsminister Richard Willey in einer klassischen Tür-auf-Tür-zu-Komödie im Veranstaltungssaal seines Heimatortes. Ich gebe gern zu, ich war stolz und hatte Spaß, und er macht das nach mehreren Jahren Laientheater richtig gut.

29
Feb
2012

Eiserner Vorhang 2012 // I

Christoph Willibald Gluck, »Telemaco«, Theater an der Wien
Leider fiel der Countertenor Bejun Mehta für die Titelrolle krankheitsbedingt aus, so dass der Regieassistent auf der Bühne den Stand-in machen musste und aus dem Orchestergraben ein eilends eingeflogener Ersatzcounter sang. War trotzdem sehr gut, aber am beeindruckendsten waren die Circe von Alexandrina Pendatchanska und der Merione von Anett Fritsch in einer Hosenrolle. So viel Kraft, dass es einen umbläst, und viel Gefühl.

Das schlichte, suggestive Bühnebild tat ebenfalls seine Wirkung. Sehr schöne Musik. Was blieb? Am nächsten Tag die Erinnerung im Kopf, dass es mir gut gefallen und mich berührt hat. Aber im Herzen war das Gefühl verschwunden. Man weiß nie, woran das liegt.
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